2020 wurden in einer britische Studie knapp 6.000 Haushalte befragt, welche Bedeutung ihre Haustiere für die Zeit des Lockdowns und der Beschränkungen danach für sie hatten. Über 86% der Menschen beschrieben ihre Haustiere als wichtige emotionale Säule für ihre mentale Gesundheit (1).
Mehr noch: je angeschlagener die psychische Gesundheit vor der Pandemie war, desto stärker wurde in der Zeit die Verbindung von Mensch und Tier. Unter Tierbesitzern waren die Fälle von Problemen mit der emotionalen Verarbeitung der Pandemie deutlich seltener und es wurde weniger von einem Gefühl der Isolation und Einsamkeit berichtet.
Wenn Einsamkeit problematisch wird
Einsamkeit definiert sich in der Psychologie als das subjektive Gefühl, dass unser Sozialleben nicht mit erwünschten oder erwarteten Interaktionen gefüllt ist (2).
Was so technisch klingt, meint den scheiternden Wunsch nach einem sozialen Miteinander. Daher ist Einsamkeit nicht Alleinsein: einsam fühlen kann man sich auch einer großen Gruppe von Menschen, in der man sich nicht gesehen oder gehört oder nicht angenommen fühlt.
Der Bedarf an sozialem Miteinander ist individuell ausgeprägt, aber selbst introvertierte Menschen verspüren Einsamkeit.
Einsamkeit entsteht aus vielen Situationen. Man zieht in eine fremde Stadt für einen neuen Arbeitsplatz oder das Studium, Freundschaften verlaufen im Sand oder Ereignisse fordern so viel Raum und Ressourcen ein, dass lange Zeit für andere Menschen keine Zeit bleibt.
Was Einsamkeit mit Menschen macht
Einsamkeit ist als Stressfaktor nicht zu unterschätzen.
Der Mensch ist sozial geprägt und sucht soziale Bindung, schon bei Neugeborenen wird der körperliche und emotionale Kontakt zu Menschen mit der Ausschüttung des sogenannten „Kuschelhormons“ Oxytocin belohnt. Und noch als Erwachsene reagiert unser Gehirn mit Oxytocin auf die Nähe uns sympathischer Menschen (3).
Mangel an gewünschter sozialer Interaktion wirkt sich daher langfristig körperlich aus. Es macht traurig oder sogar depressiv, sorgt für Schlafprobleme und Bluthochdruck, was langfristig das Herz nicht nur emotional, sondern auch gesundheitlich in Mitleidenschaft zieht.
Es ist natürlich normal und auch unschädlich, sich zeitweise einsam zu fühlen. Hält das Gefühl jedoch an, sollten Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Unterschied Einsamkeit und Depression
Nicht jedes traurige Gefühl ist eine Depression und nicht jedes Gefühl von Einsamkeit führt zu Depressionen. Aber andersrum ist das Gefühl einsam oder isoliert zu sein ein häufig berichtetes Symptom von Depressionen und depressiven Verstimmungen und ebenso häufig auch ein Auslöser (4).
Die Betroffenen beklagen einerseits den empfundenen Mangel an körperlicher und emotionaler Nähe und äußern den Wunsch, dies zu ändern, sind aber gleichzeitig zu erschöpft, um konkrete Schritte dagegen zu unternehmen.
Depressionen sind eine Erkrankung, die in Zusammenhang mit einer Störung der chemischen Prozesse im Hirn stehen. Sie hat vielfältige Ursachen und wird individuell behandelt. Unbehandelt verschwinden sie in der Regel nicht.
Anders verhält es sich mit der depressiven Verstimmung, die in ihren Symptomen der Depression ähnelt, aber nur temporär auftritt und sich oft mit der Zeit wieder löst. Sie kann sich aber auch verschlimmern und zu einer schweren Depression manifestieren.
Wenn das Gefühl von Einsamkeit zunimmt oder als belastend empfunden wird, sind die hausärztliche Praxis oder eine psychotherapeutische Einrichtung für Beratung und Information zuständig. Sie vermitteln vorurteilsfrei Hilfsangebote und bieten Unterstützung an. Denn so einsam du dich auch fühlst: Du bist nicht allein.
Vorteile der Hundehaltung bei Einsamkeit und Depression
Wenn man zwei Hundehalter fragt, welche Vorteile für sie das Leben mit einem Vierbeiner hat, geben sie sehr viele Antworten – aber selten dieselben.
Nur eine Sache zieht sich durch fast jede Hund-Mensch-Beziehung: Die Gemeinschaft.
Das umschließt mindestens das Zweier-Team aus Hund und Herrchen oder Frauchen, aber weitet sich aus auf die Gassirunden-Kontakte, die Freunde in der Hundesportgruppe und die Bekanntschaften in den Hundegruppen auf Social Media.
Ein vorurteilsfreier Freund an deiner Seite
Der wohl am häufigsten geäußerte Grund für die Bindung an einen Hund ist dessen bedingungslose Liebe. In einer gesunden Mensch-Tier-Beziehung erfreut sich ein Hund schon allein an der Existenz seines Menschen und gerade an dessen Nähe.
Besonders bei Depressionen ist dies ein gewichtiger Faktor, denn hier ist das Selbstwertgefühl wenig ausgeprägt und der Gedanke, nicht liebenswert zu sein, stark präsent.
Für einen Hund spielen die menschlichen gesellschaftlichen Regeln keine Rolle. Äußerlichkeiten sind für ihn unerheblich, ebenso wie Ansehen, Geld und gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten. Er beurteilt seine Menschen nach deren Verhalten ihm gegenüber und verzeiht großzügig.
Bewegung hilft gegen Depression
Dass regelmäßige Bewegung der Gesundheit guttut, ist weithin bekannt. Die vielzitierten 10.000 Schritte am Tag sind allerdings eine Marketingerfindung einer japanischen Firma für Schrittzähler.
Tatsächlich zeigt sich schon bei einer Stunde Aktivität pro Woche ein signifikante Besserung der Symptome. Empfohlen werden drei Sporteinheiten pro Woche à 45 Minuten, wobei jede Art von körperlicher Betätigung gemeint ist (5).
Nur wenige Menschen nehmen sich jedoch bewusst die Zeit für Spaziergänge. Menschen mit Hund hingegen erreichen diese Zahl locker, denn sie kommen gar nicht drum herum. Der Vierbeiner muss drei- bis viermal am Tag aus dem Haus, um sich zu lösen, die Nase zu benutzen und andere Hunde zu treffen.
Wer an Einsamkeit leidet, fühlt sich auf Spaziergängen ohne Begleitung manchmal noch einsamer, da wir Menschen Spaziergänge mit Gesellschaft verbinden. Mit dem Hund jedoch teilt man das Erlebnis, man bleibt an Blumen stehen und beim Anblick von Eichhörnchen und kommuniziert miteinander. Zudem zeigt dein Hund gerne seine Freude, draußen zu sein und zu schnuppern, und reißt dich mit.
Sogar bei Depressionen funktioniert das Gassigehen in der Regel, obwohl sonst starke Antriebslosigkeit diese Krankheit prägt. Das Aufraffen für die täglichen Hunderunden ist jedoch für die meisten zu bewältigen und schafft so ein gutes Maß an Bewegung.
In Kontakt kommen
Treffen sich zwei Hunde, wollen sie sich üblicherweise beschnuppern und bei Sympathie auch gerne sofort miteinander spielen. Und auch die Menschen am anderen Ende der Leine kommen dabei ins Gespräch – spätestens, wenn sich besagte Leinen ineinander verheddern.
Das Thema hat man ja direkt dabei: „Wie alt ist der denn? Was ist das denn für eine Rasse? Der ist ja hübsch!“. Meist kennst du den Namen des Hundes viel früher als den Namen des Menschen.
Da sich Gassirunden immer in etwa zur selben Zeit einpendeln, triffst du auch immer dieselben Leute und ihre Hunde. So kommt man ins Gespräch oder läuft irgendwann einen Teil der Runde gemeinsam. Manche verabreden sich schlussendlich zu festen Zeiten oder trainieren sogar gemeinsam.
Ein Hund erleichtert das Eisbrechen ungemein. Und oft muss er dafür nicht einmal anwesend sein: Sobald du in deinem neuen Büro erzählst, dass du einen Hund hast, dreht sich das Gespräch erstmal um den Vierbeiner und du wirst regelmäßig nach ihm gefragt.
Mit einem Hund geht man auch nicht nur spazieren, sondern es eröffnet sich eine ganze Bandbreite von neuen Hobbies. Ob Hundesport, Obedience-Training oder Rettungshundestaffel – hier triffst du viele Leute mit der gleichen Begeisterung und knüpfst so spielend neue Freundschaften.
Emotional Support Animals
Aus den USA kommt zunehmend die Idee des Emotional Support Animals (ESA) nach Europa und auch nach Deutschland.
Zwar ist schon lange klar, dass sich Menschen emotional an ihre Haustiere binden und daher in diesen auch eine Quelle von Trost, Unterstützung und Freude sehen. Das Konzept des Emotional Support Animals geht aber noch darüber hinaus und räumt dieser Bindung eine so starke Wirkung ein, dass sie als Therapieunterstützung für einige psychische Erkrankungen gelten und somit einen rechtlichen Sonderstatus genießen.
Situation in den USA
In den USA gelten je nach Staat verschiedene Gesetze für die Registrierung eines Haustieres als Emotional Support Animal. Üblicherweise muss dafür die ärztlich Diagnose einer geistigen Behinderung, Neurodivergenz oder psychischer Erkrankung vorliegen. Man spricht konkret von einer emotional disability oder mental disability (6).
Dabei ist emotional disability weiter gefasst als die deutsche psychische Erkrankung oder Neurodivergenz. So werden von manchen Ärzten schon Phänomene wie Lampenfieber oder Schüchternheit als emotional disability bezeichnet, obwohl sie nicht die Kriterien für eine Angststörung erfüllen würden.
Es existiert keine einheitliche Ausbildung und meist auch keine staatlichen Anforderungen an den Hund für die Registrierung als ESA. Die Halter müssen üblicherweise nur einen Brief der Krankenversicherung nachweisen, dass ihr Tier ihre Krankheit, Behinderung oder Einschränkung in irgendeiner Weise lindert.
Da aber schon der tägliche Spaziergang eine positive Wirkung auf Wohlbefinden und hirnchemische Prozesse hat, ist kaum das Gegenteil belegbar. So kam es, besonders in Großstädten, zu einer Vielzahl von registrierten ESA, die kaum sozialisiert und trainiert waren und das Bild des ESA entscheidend negativ prägten.
Denn der Americans With Disabilities Act gewährt ESA eine rechtliche Sonderstellung, sodass ihre Registrierung eine Vielzahl von gesetzlichen Auflagen für ihre Halter aufhebt, zum Beispiel Bedingungen für staatliche Unterstützungsleistungen oder Reisebeschränkungen.
Viele der problematischen Halter sahen darin ihr Recht zementiert, ihr ESA auch in Einrichtungen mitzunehmen, zu denen Tiere sonst keinen Zutritt hatten, wie zum Beispiel Restaurants oder Kunstmuseen.
Bis vor Kurzem wurden auch oft Haustiere als ESA deklariert, die Schäden in einer Mietswohnung verursachten, da dann der Vermieter die Schadensbeseitigung tragen musste. Aufgrund der zunehmenden Fälle wurde dies inzwischen gesetzlich unterbunden.
Als ESA kann jedes Tier registriert werden. Üblicherweise sind das Hunde, aber die Richtlinie gibt nur vor, dass das Tier in der Wohnung des Besitzers leben können muss, es nicht zur Tierquälerei kommt und weder Halter noch Wohnung oder Dritte zu Schaden kommen. So werden zunehmend auch Katzen, Hasen und Minipferde registriert, in seltenen Fällen Reptilien oder größere Pferde. Für wilde Tiere gibt es noch keine Präzedenzfälle.
Schlagzeilen machen noch immer ESA in Flugzeugen oder Zügen. Laut Gesetz müssen ESA an Bord jedes Transportmittels zugelassen werden, solange die sogenannten ESA Letters von Ärzten oder Krankenversicherungen vorliegen, die eine aktuell laufende Behandlung der Grunderkrankung bestätigen.
Bis 2020 nutzten viele Menschen diese Gesetzeslücke und registrierten ihr Haustier als ESA, um Transportgebühren für das Flugzeug zu sparen. Der Air Carrier Access Act stellt dies inzwischen unter Strafe.
Die Vielzahl an ESA-Registrierungen bietet der Wissenschaft aber eine unschätzbare Datenlage zur Untersuchung von Tier-Mensch-Beziehung in Hinsicht auf mentale Gesundheit. Nirgends sonst ist daher die tiergestützte Therapie breiter erforscht als in den USA.
So fand man, dass sozialisierte und trainierte Hunde durchaus einen therapeutisch wirksamen Beitrag für die psychische Gesundheit ihrer Menschen leisten, wenn sie speziell für das Krankheitsbild ausgebildet sind. Ähnlich dem Konzept von Assistenzhunden helfen sie z.B. gut bei Sozialangst und Depressionen.
Situation in Deutschland
Im Mai 2021 verabschiedete Deutschland das Teilhabestärkungsgesetz, in dem auch Regelungen für Assistenzhunde konkretisiert sind. War vorher ein Emotional Support Animal schon nur in der Grauzone als therapiestützendes Tier, ist nun dem Konzept eine klare Absage erteilt worden (7).
ESA sind daher in Deutschland keine Assistenzhunde und profitieren von keiner rechtlichen Regelung für diese.
Sie können auch nicht speziell registriert werden. Nichtsdestotrotz bieten einige unseriöse Firmen eine Registrierung und Ausstellung eines entsprechenden Nachweises an. Dies ist jedoch rechtlich bedeutungslos.
Auch einige Hundeschule bieten ein Training oder sogar Ausbildungen zum ESA an. Seriöse Anbieter sind auf ein Krankheitsbild spezialisiert und können umfassende, medizinische Kenntnisse zur Erkrankung vorweisen. Sie trainieren individuell einen Hund und seinen Menschen für dessen Bedürfnisse, weisen aber klar darauf hin, dass es sich nicht um eine Therapie- oder Assistenzhundeausbildung handelt.
Hundeschulen, die generalisierte Trainings für ESA anbieten, sind mit Vorsicht zu begegnen. Die Grunderkrankungen sind sehr unterschiedlich und daher ist kaum ein Trainingsansatz ersichtlich, der allen gerecht werden kann. Oft suggerieren sie damit einen Stellenwert der rechtlichen Bedeutung des ESA, der der Wirklichkeit nicht standhält.
Es ist allerdings auch in Deutschland ein hilfreicher Laien-Oberbegriff in der Suche nach dem für einen selbst richtigen Hund. Er umschreibt das Bedürfnis nach einem Hund, der z.B. Nähe zulässt oder selber sucht, für Menschen mit Sozialängsten Sicherheit vermittelt oder bei Hochsensibilität nicht zu laut und aufgedreht ist.
Wann man sich einen Hund gegen Einsamkeit zulegen sollte – und wann nicht
Einen Hund anzuschaffen ist immer ein Akt von Verantwortung. So vielfältig die positiven Effekte für den Menschen sind, so wichtig ist auch der positive Effekt für den Hund selbst.
Ein Hund ist keine kurzfristige Lösung gegen Einsamkeit, der nach der Eingewöhnung an den neuen Arbeitsplatz oder dem Knüpfen neuer Freundschaften wieder abgegeben wird. Du musst langfristig für ihn sorgen können. Dazu gehören nicht nur die Bereitstellung von Futter und Wasser, sondern auch Beschäftigung, Bewegung und Kontrolle seiner Gesundheit.
Die gute Nachricht: Wer einem Hund kein langfristiges Zuhause bieten kann, aber dennoch eine Phase der Einsamkeit zu überwinden hat und Hundeerfahrung besitzt, der kann sich über die Möglichkeit eines Pflegehundes informieren. Hier nimmst du einen Hund solange bei dir Zuhause auf, bis er endgültig adoptiert ist. Das kann zwischen Tagen und Monaten dauern.
Als Bonus hat man dabei viel Interaktion mit der vermittelnden Organisation und den interessierten Familien.
Quellen: